Stellungnahme des Netzwerks Kirchenasyl Münster gegenüber der zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Coesfeld aus Anlass ihrer fehlerhaften Darstellung der Ereignisse vom 2.7.2019.
Am 10.07.2019 haben wir einen Offenen Brief veröffentlicht, der bundesweit zur Kenntnis genommen wurde.
Auf unseren Offenen Brief hat die ZAB Coesfeld mit Fehlinformationen reagiert. Deswegen möchten wir an dieser Stelle noch einmal öffentlich uns zu Wort melden. In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die Kritik vom13.07.2019seitens des Stadtverbandes Münster des Deutschen Gewerkschaftsbundes(DGB) an Ihrem Vorgehen hinweisen (DGB Münster verurteilt die Abschiebepraxis der ZAB Coesfeld: https://muensterland.dgb.de/presse/++co++979a174e-a613-11e9-8728-52540088cada).
Vorab: Wenn am Ende eines Abschiebungsversuchs ein körperlich und psychisch verletztes Kind steht, hat offensichtlich eine Grenzüberschreitung stattgefunden Dieses Behördenhandeln kann unsere Gesellschaft nicht hinnehmen.Das Wohl der Kinder hat auch in Extremsituationen wie bei Abschiebungsversuchen immer im Mittelpunkt zu stehen. Dass ein Kind,aufgrund der psychischen Belastung der Eltern ausgelöst durch Behördenvorgehen, das Gefühl hat, die Familie vor einem gewaltsamen Öffnen der Tür bewahren zu müssen und dabei körperlich und psychisch verletzt wird, darf nicht das Ergebnis von Behördenhandeln sein. Das versucht worden ist, die Tür gewaltsam zu öffnen, ist der Tatsache zu entnehmen, dass diese nach dem Abschiebeversuch nicht mehr funktionsfähig war. Die UN-Kinderrechtskonvention ist bezüglich des Kindeswohls eindeutig, in Art. 3 heißt es: (1) Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten,Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Diese vorrangige Berücksichtigung muss immer gelten.
Das Wohl des Kindes– hier eines 12jährigen Mädchens – ist am 2.7.völlig außer Acht gelassen worden. Die Stellungnahme des Kreises Coesfeld zeigt auch über eine Woche später, dass die Betrachtung des Kindeswohl hinter dem unbedingten Willen, die Abschiebung durchzusetzen,zurückstehen musste. Das darf rechtlich nicht sein, das darf aber in erster Linie menschlich nicht sein. Wir dürfen das nicht hinnehmen!Neben dem Mädchen haben viele andere Menschen aus diesem – aber auch vielen anderen – Abschiebungsversuchen psychische Verletzungen davongetragen. Direkt betroffen ist natürlich die Mutter des Mädchens, die akut in die geschlossene psychiatrische Klinik eingeliefert werden musste, mittelbar betroffen sind jedoch auch viele weitere BewohnerInnen der ZUE Münster, die z. T. als Augen-und Ohrenzeugen den massiven Einsatz miterlebt haben. Regelmäßig müssen BewohnerInnen, die schutzsuchend nach Deutschland gekommen sind, nach nächtlichen Einsätzen der ZAB Coesfeld und der Polizei Münster, stationär aufgenommen werden, da bestehende psychische Erkrankungen akut wieder aufbrechen. Etwa 40 % der Geflüchteten leiden – verschiedenen Studien zufolge – an Traumafolgestörungen. Gerade für diese Gruppe ist die ständige Angst vor nächtlichen Einsätzen ein permanenter Stressfaktor der in vielen Fällen zu Destabilisierung, Chronifizierung und, wie ausgeführt, zur Dekompensation, oft in Verbindung mit akuter Suizidalität führt. Diese Gefährdung einer sehr großen Zahl von schutzsuchenden Menschen muss unbedingt verhindert werden. Die Antwort des Kreises Coesfeld auf diese Gefahrensituation ist jedoch eine andere. Bei dem eskalierten Abschiebungsversuch am 2.7.2019 wurde Unterstützung durch die Feuerwehr angefordert, diese hat unter dem Fenster der Frau ein Sprungtuch aufgespannt. Es war demnach offensichtlich, dass die suizidale Frau sich in akuter Lebensgefahr befand. Ein Sprungtuch auszubreiten, mag im Ergebnis geeignet sein, das Leben der Frau zu retten, humanitärer Umgang mit schutzsuchenden Menschen würde aber bedeuteten, eine Maßnahme abzubrechen, bevor eine Person psychisch oder physisch zu Schaden kommt und eine Verletzung von Menschenrechten und Kindeswohl nicht derart billigend in Kauf zunehmen. Wir fordern daher das sofortige Ende dieser inhumanen Abschiebepraxis der ZAB Coesfeld.
Münster, den 15. Juli 2019